Harfen im Mittelalter

Harfen im Mittelalter

Das Spielmannsvolk durchzog weite Landstriche, gelangte überall hin und fand allerorts Gelegenheit zum Tausch, vermittelte selbst in ferne Länder Anregungen und nahm seinerseits fremde Vorbilder zum Muster. So konnte man weglassen, was sich als ungünstig erwies, und behalten bzw. umbilden, was sich als brauchbar anbot.
Deshalb lassen sich keine genauen Angaben über die Saiteninstrumente des Frühmittelalters in klanglicher und baulicher Hinsicht machen.
Das Wort „Harfen“ hat ursprünglich nicht viel mehr bedeutet als „ein Saiteninstrument spielen“. Nicht in jedem Fall muss eine Harfe gemeint sein, wenn von einem „geharften“ Instrument zu lesen ist. Bei den Germanen und Kelten haben oft Leiern den Vorzug gehabt.
Die Wiege der abendländischen Harfenkunst ist im Raum der britischen Inseln zu suchen. Dort prägen sich erstmalig die typischen Formen heraus. An Hand mehr oder weniger klar gezeichneter Harfen aus dem 8., dem 9. und späteren Jahrhunderten, die sich auf Bildwerken in den keltischen Gebieten Irlands und im Siedlungsbereich der nordischen Einwanderer gefunden haben, gewinnen wir Klarheit über die charakteristische Form.
Es ist unklar, ob die Nordmänner das Instrument mit gebracht haben, oder die Iren es „erfunden“ haben. Fest steht, dass sämtliche Instrumente, die die Bildwerke zeigen „Rahmenharfen“ sind, das heißt einen dem Bügel abschließenden dritten Teil, die Vorderstange, aufweisen. Die Verwendung der Harfe hat sich von Irland aus bald auf Schottland und Wales ausgedehnt und kam als „cithara anglica“ auf das Festland. Die kräftige gebaute, mit Metallsaiten bespannte und mit Nägeln, später auch mit bloßen Fingern, gezupfte „irländische Harfe“ hat ihre typische, etwas klobige Gestalt lange bewahrt. Michael Präetorius, der deutsche Theoretiker aus dem 17. Jhd., beschreibt sie in seinem Instrumentenhandbuch. Erhaltene Exemplare, wie die „Brain Brou Harp“ oder die „Queen Mary’s Harp“ sind aus späteren Zeiten.
Die romanischen Harfen, die man zwischen dem 9. Und 12. Jhd. datierte, gehören zu den ältesten Harfen im mitteleuropäischen Raum. Im Gegensatz zu den angelsächsischen Harfen, die einen geraden Hals aufweisen, haben die romanischen Harfen einen gebogenen Hals.
Vor allem in Spanien, aber auch in Deutschland, gibt es Beispiele von doppelt bespannten Harfen. Dieses Modell (Megabise), ist ein Nachbau von einem Bildnis auf einem Kirchenfenster von Stift Admont in der Steiermark. Sie ist mit zwei parallelen Saitenreihen bespannt, beide diatonischer Stimmung. Dadurch war es möglich, gleichzeitig Begleitung und Melodie innerhalb eines geringen Tonumfangs zu spielen.
Die Verdoppelung von Melodien ist auch immer wieder in Bildnissen zu finden, wo z.B. ein Flötenspieler mit zwei Flöten gleichzeitig spielt.Ca. 1. – 2. Jhd. später findet man Harfen in der sogenannten „gotischen“ Form. Sie hat den Namen die „gotische Harfe“ wegen der Form und Stil der „gotischen Bauweise“.
Die Besaitung war aus Darm und hat ca. 25 Saiten. Der schmale Korpus und der flache Resonanzkasten lassen auf eine unaufdringliche und zarte Tongebung schließen. Kleine Instrumente konnten im Stehen, wie im Sitzen, geharft werden. Sitzende Spieler stemmen die untere Spitze in den Schoß, zu meist mit übereinander geschlagenen Beinen. Man lehnte die Harfe auf die Brust oder Schulter. Eine Eigentümlichkeit des frühen Harfenspiels war der „schnarrende Harfenton“, der dadurch erzeugt wurde, dass die schwingenden Saiten am unteren Ende gegen winkelförmige Haken oder auch gegen die nicht ganz hineingesteckten Haltestifte schlagen und auf diese Weise ein Nebengeräusch verursachten. Musiktheoretiker sprechen vom Klirren und Schnarren der Saiten.
Das hier ist ein Nachbau der „Minnesänger-Harfe“ in Nürnburg. Eine andere erhaltene Harfe dieser Zeit ist die sogenannte „Wolkenstein-Harfe“, die auf der Wartburg in Eisenach aufbewahrt wird. Sie ist ca. 1430 gebaut.König David mit HarfeDer wesentliche Unterschied der Harfe zu den im Mittelalter gebräuchlichen Saiteninstrumenten ist ein senkrechtes Auftreten der Zugkräfte zu Resonanzboden. Der Resonanzkörper wurde vermutlich so wie bei den später erhaltenen Modellen aus zwei Schalen zu einem Ganzen gefügt. Durch diese Konstruktion muss der Resonanzkörpers logischerweise eine Längsmaserung der Resonanzdecke aufweisen, da sonst die maximale Länge durch die Hälfte des Baumstammdurchmessers begrenzt wäre.
Es gibt keine sicheren Quellen wie Handschriften mit spieltechnischen Anweisungen aus dieser Zeit. Daher hält man sich an Darstellungen, die mögliche Hinweise der Hand- und Fingerhaltung geben können. Die Finger sind manchmal höher gestellt, vor allem bei der rechten Hand. Die Finger der linken Hand sind etwas gespreizt, so als würden sie größere Intervalle greifen.
Die beiden Hände spielen in einem relativ großen Abstand von einander. Die rechte Hand ist näher am Hals und die linke Hand nahe am Resonanzkörper, so konnten verschiedene Klangfarben erzeugt werden. Die Spielleute kannten auch besondere „Manieren“ wie Andrucken der Saiten am Hals für die Halbtonintonierung und Halbierung der Schwingung der Saiten, also Flageolettöne.
Jacque of Liege gibt in seinen Schriften von ca. 1330 Hinweise auf die Begleitung der Gesangstimme in Quinten und Quarten. Oft wurden auch die Gesangsstimme Unisono mitgespielt, und eine beliebte Möglichkeit der Begleitung war auch das Spielen von Bordun-Quarten mit der linken Hand.
Anlässe zu instrumentaler Virtuosität mögen vor allem Vor- Zwischen- und Nachspiele gegeben haben. Imitation und Verzierung der Melodie sowie improvisierte Gegen- und Parallelstimmen gehörte zum Aufgabebereich des Harfners.
Es ergaben sich zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten der Harfe: Man sang zur Harfe, man harfte solistisch oder im Ensemble mit Sängern, Bläsern und Streichern. Die Harfe wurde als vollgriffiges Instrument verwendet, sie bot die Möglichkeit an, mit beiden Händen gleichzeitig verschiedene Stimmen zu spielen.
Der wandernde Spielmann transportiert sein Instrument an einem Gurt auf dem Rücken, nur in einem Ledersack gegen die Witterung geschützt. Man kann sich gut vorstellen, dass die Harfen nicht immer in einem guten Zustand waren und bei feuchtem Wetter manchmal eine oder mehrere Saiten gefehlt haben.
Wie man sich das Spielen auf dem anfänglich nur bis zu 9 Saiten bezogenen Instrument vorstellen soll, bleibt zu erraten.
Ausdrücklich für die Harfe komponierte Musik zu suchen ist unnütz, da die Spielleute nur mündliche Überlieferung vom Meister zum Schüler kannten und vorwiegend aus dem Stegreif musizierten.
Dieter Kühn nähert sich in seinem Buch „Neidhard und das Reuental“ in lebendiger Sprachen an das Leben der fahrenden Dichter und Sänger des Mittelalters und rekonstruiert die Lebensreise von Neidhard, der von Auftritt zu Auftritt reist. Die Spielleute reisten selten alleine. Meist war es ein Trupp von Pfeifern, Fidlern, Tänzerinnen, Spielfrauen, Jongleure und Possenreißer, wo sich oft ein fahrender Dichter, Komponist und Harfenspieler, wie zum Beispiel Neihard von Reuental, anschloss.
Dank ihrer Kunstfertigkeit haben sich Harfenspieler große Beliebtheit erfreut. Nicht nur berufsmäßige Spielmänner, sondern auch Laien und Hausmusikfreunde spielten. Die Harfe erklingt sowohl beim Turnierfest als auch bei Tisch. An der Tafel reichte man das Instrument reihum, selbst vornehme Frauen und Männer musizierten. Für einen Mann von Stand galt die Harfe geradezu als unpfändbares Gut.Trisatan und Isolde mit Harfe
Auch Tristan harpfte vor Isolde. Sein Spiel beschreibt Gottfried von Straßburg um 1210 mit 250 Versen. Dabei werden nicht nur die schönen Hände und ihre Bewegungen im Spiel besungen, sondern auch wie sorgfältig Tristan sein Instrument stimmte. Das Stimmen geht nahtlos zum Präludium über, darauf folgt ein Tanz, und zuletzt singt Tristan zur Harfe. Singen und harfen wird zu einem fixen Begriff.
Im Rahmen der höfischen Welt unterscheiden sich die harfenspielenden Personen nach ihrer gesellschaftlichen Herkunft als Adelige und Nichtadelige. Nicht von adeligen Geblüt ist der berufsmäßige Unterhalter. Dieser hoffähige Berufsunterhalter nimmt im höfischen Kulturleben einen wichtigen Platz ein; sein Harfenspiel wird besonders bei Beschreibungen von Hoffesten erwähnt. Die Gegenwart zahlreicher Künstler ist offenbar ein Statussymbol.
Das Harfenspiel wird häufig den höfischen Fertigkeiten zu gerechnet und gehört demgemäß zum Programm des hoffähigen Unterhalters. Der hoffähige Spielmann muss sich von der gering bewerteten Schar der nichtreichen Musiker abheben. Gut definiert wird sein Verhalten in Gottfried’s Tristan-Roman:
„Ich war ein hoffähiger Unterhalter und verstand mich auf höfisch-schickliches Verhalten. Ich beherrschte das Reden und das Schweigen, ich konnte Geige, Harfe und Rotte (= Psalter) spielen, ich verstand mit Scherz und Spot zu belustigen…“
Diese Beschreibung macht deutlich, dass der höfische Spielmann nicht nur durch sein musikalisches Können, sondern auch durch seine Lebensart geeignet sein muss, vor dem Herrn des Hofes aufzuwarten. Dazu gehören: gewählte Redeweise, die Kenntnis fremder Sprachen, Anstand, Manierlichkeit, die Berufskleidung des gehobenen Herrendieners,… und das Saitenspiel.
Hatte er diese Merkmale erreicht, durfte er seinen gering geschätzten Status eines wandernden Musikers mit der geachteten Stellung eines bei Hofe fest angestellten Harfners vertauschen.
Die Aufgaben des Hoffähigen waren neben dem aktiven Singen und Spielen auch die Bildung der adeligen Kinder und das Unterrichten im Saitenspiel.

Anna Zauner-Pagitsch
www.harfen.at
Literaturangaben:
GOMEZ, Debra, “The use the harp in the Middle Ages”
KÜHN, Dieter, „Neidhard und das Reuental“
van SCHAIK, Martin, „Die gesellschaftliche Funktion der Harfe in der deutschen Literatur des Mittelalters„
ZINGEL, Hans Joachim, „Harfe und Harfenspiel“